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Verein für Vor- und Frühgeschichte im unteren Niddertal wird für Buchprojekt ausgezeichnet
Nidderau – Bürgermeister Andreas Bär betonte, dass die Historie in Nidderau aktuell wieder sehr präsent sei. Bei archäologischen Untersuchungen zum neuen Baugebiet „Mühlweide II“ seien sowohl Spuren aus der bandkeramischen als auch aus der Eisenzeit gefunden worden.
„Der Verein Keltenwelten besteht seit 2007 und setzt sich aus rund 60 bedeutenden Keltenstätten zusammen, darunter Museen, Freilichtanlagen, Kulturparks, Geländedenkmäler und Monumente. Auch wissenschaftliche Institutionen, Gemeinden und Landkreise, Vereine und Privatpersonen sind Mitglieder“, erläuterte Professor Dr. Susanne Sievers, Vorsitzende des Vereins Keltenwelten. Sie alle hätten sich der Pflege der keltischen Kultur (800 bis 50 vor Christus) verschrieben.
Zeitreise in die Welt der Kelten
Jeder Archäologe habe eine Traumvorstellung: Einmal einen Tag dort zu verleben, wo er ausgegraben hat. Eine solche Zeitreise stehe im Mittelpunkt des Buches „Reisen“. Band drei der Schriften des VVFN, gefördert von der deutschen Denkmalstiftung, nenne als Autoren Heike Lasch und den Verein. Es handele sich hierbei um die Zusammenarbeit von Fachwissenschaftlern und Laien, was den Reiz dieses Projektes ausmache. Die Idee hatte Graphiker Jan Münz. Ein weiterer Geburtshelfer für das Buchprojekt, das 2021 in Druck ging, war die Corona-Zeit.
Sievers schilderte die Aktivitäten des VVFN als Grundlage für das Buchprojekt. Der Verein betreue die Schausammlung, reinige, restauriere und dokumentiere die Funde und gebe eine Schriftenreihe heraus. Führungen und Vorträge fänden statt, eine beachtenswerte Bibliothek sei vorhanden.
Im Buch sind die Funde der Archäologischen Schausammlung Teil der Lebenswelt eines jungen Mädchens, das eine Zeitreise in die Welt der Kelten macht. Sie lernt Lug kennen, der ihr von seinen weiten Reisen erzählt. Später erkennt sie die Funde von Allee-Süd in der archäologischen Schausammlung als die ehemaligen Besitztümer Lugs wieder. Das Besondere an der Erzählung sei, wie archäologische Funde und Fakten in die Geschichte eingebunden werden, sagte Sievers.
Lokale Funde werden mit spannender Geschichte verknüpft
Nicht zufällig spiele der Umgang mit dem Tod eine wichtige Rolle, stellten doch Grabfunde die Basis der Erzählung dar. Der Laie erfahre viel über praktizierte Techniken, Riten und die Funktion der Funde, die er in der Schausammlung besichtigen kann und die im Buch abgebildet sind. Die Ausgrabung spiele ebenso eine Rolle wie die Restaurierung der Funde.
Die Reisen von Lug gäben den Hintergrund für in der Region fremde Funde und damalige Handelsrouten. Bedeutende Fundorte wie unter anderem der Glauburg oder Hallstatt sind eingefügt. Auf diese Weise werden die Funde aus dem Museum vorbildlich mit einer spannenden Geschichte verknüpft, die in ihrer klaren Sprache und in der Verbindung von Realität und Fiktion nicht nur Jugendliche anspricht. „Einen didaktisch gelungeneren Führer durch die Eisenzeit eines Museums kann man sich kaum vorstellen“, sagte Sievers.
Lob für gute Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Walter Irlinger, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Keltenwelten nahm die Preisverleihung vor. Er sagte, dass die Öffentlichkeitsarbeit ein extrem wichtiges Element sei, um bei den Bürgern Verständnis für die Arbeit der Archäologen zu gewinnen. Irlinger sprach von einem faszinierenden Ansatz der Vermittlung mit dem Sprung aus der Neuzeit in die frühe Zeit der Kelten: „Verschiedenste Komponenten kommen zusammen, von der genialen Idee der Publikation bis hin zu den Funden der Archäologischen Schausammlung, die zum Sprechen gebracht werden“.
Dr. Heike Lasch hielt den Festvortrag „Kelten in Nidderau?“. 2017 kam es zum Beitritt der Stadt in den Verein Keltenwelten. Lasch hinterfragte, welche Hinweise es auf keltische Siedlungen in Nidderau gebe und versuchte eine Darstellung in chronologischer Reihenfolge der Auffindung. Sie bezog sich dabei auf eine Karte von Georg Wolff, einem Hanauer Gymnasiallehrer, der um 1900 sehr aktiv gewesen ist und sich der Archäologie verschrieben hat. Sie sprach von mindestens 16 bekannten Fundstellen aus der Eisenzeit, die auch bei Wolff kartiert sind.
Etwa 70 Grabhügel im Unterwald seien 1903 und 1904 vom Hanauer Geschichtsverein umfangreich ausgegraben worden. Es gäbe jedoch keine Dokumentation. Die Funde seien weitestgehend verschollen. Auch einige Altfunde in archäologischen Sammlungen in Hanau und Friedberg gäben wenig Aufschluss über das Leben der keltischen Bevölkerung.
Lasch nannte den „Garagenfund“ aus einem Nachlass aus Windecken und das „Frauengrab vom Pfingstbornweg“, das eigentlich aus der Homburger Straße sei. Ein Anfang der 1980er Jahre bei der Verlegung der Ferngasleitung angeschnittenes und restauriertes Grab befindet sich in der Mittelburg in Heldenbergen. Lasch wies zudem auf die großen Ausgrabungen im Neubaugebiet Allee Süd IV und der Trasse der benachbart gelegenen Ortsumgehung Heldenbergen-Windecken hin.
Ab dem Jahr 2008 konnte ein Gräberfeld aufgedeckt werden, dessen Zeitstellung von der Hallstattzeit bis zur Laténezeit reicht. Die Wohnbebauung lag in der Verantwortung der Stadt Nidderau als Grundstückseigentümer und die Grabung auf der Ortsumgehung beim Landesamt für Denkmalpflege. Die Funde seien in einer noch nicht publizierten Dissertation zusammengefasst worden.
Abschließend ging sie auf den „Kelten von Hof Buchwald“ ein. Nidderaus Erster Stadtrat Rainer Vogel stieß dort im Jahr 2015 bei Baggerarbeiten auf ein keltisches Kriegergrab. „Wir können mit Fug und Recht sagen, dass es Kelten in Nidderau gab. Doch wo ist der Mensch hinter den Funden? Aus dem Nebel des Gräberfeldes haben wir versucht, die Menschen in das Licht zu holen und die Hauptperson Lug im Buch auf Reisen geschickt“, erklärte Lasch.